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Anklam - alte Hansestadt am Unterlauf der Peene

Am Rande der sanft nach Norden abgedachten mecklenburgisch-vorpommerschen Diluvialplatte strömt die aus dem Malchiner See kommende Peene in östlicher Richtung dem Peenestrom zu. Dieser bildet einen der drei Mündungsarme der Oder. Wie viele andere Flüsse hat die Peene auch hier die Landschaft und die Menschen geprägt. Bereits vom Austritt aus ihrem Quellsee an ist die Peene schiffbar und bis zu fünf Metern tief. Sie war Lebensader alter Siedlungen aus dem 8. und 9. Jh. und bildete schon im frühen Mittelalter durch ihre über Kilometer hinweg sumpfigen Wiesen eine scharfe Grenze zwischen den Ländern Ziethen und Groswin.  Wenige Kilometer flußaufwärts, am "alten Lager"  bei Menzlin, förderten Ausgrabungen neben slawischen Spuren Hinweise auf skandinavische Kaufleute und Handwerker zutage. Erst zum Ende des 10. Jh. verlor das  "Alte Lager" zugunsten von Jumne (Vineta) an Bedeutung. Das Land südlich der Peene um Anklam erscheint urkundlich schon im Jahre 984 als Land Groswin und trägt diesen Namen noch im 14. Jh. An Brückenpunkten entstanden neben den alten Wendenstädten Jarmen, Demmin und Gützkow auch das Kloster Stolpe, von dem die Christianisierung Vorpommerns ausging, und Anklam. Schon im 8./9. Jh. , also noch zur Blütezeit des Handelsplatzes bei Menzlin bildete das slawische Dorf Ztulp einen wichtigen Flußübergang. Die Gründung des Benediktinerklosters an diesem Ort ist für 1147 belegt. Der nächste Flußübergang bestand offenbar zwischen Ziethen und dem Marktort Groswin, dessen Lage immer noch nicht endgültig geklärt ist. Die Gründung  Anklams ist eng mit Groswin verbunden. Möglicherweise entstand Anklam als Suburbium, als Vorburgsiedlung von Groswin, mit deutschen Siedlern (1180 - 1235).

Anklam, Tanklem, Tanchlym ...

viele Schreibweisen sind über die Jahrhunderte verwendet worden, ihre Bedeutung aber ist immer noch nicht ganz geklärt. Einige Deutungen besagen "am Wasser liegend", andere Quellen lassen auf den slawischen Begriff "Na Chlum" - "Am Berg" schließen. Einen kleinen Berg gibt es tatsächlich, er ist den Anklamern als "Schülerberg" schon über Jahrhunderte ein Begriff. Auf diesem Berg wurde bis zur Mitte des 18. Jh. jährlich ein Schulfest veranstaltet, bei dem nach Wurzeln der Pimpinella gegraben wurde.

Die erste urkundliche Erwähnung Anklams

stammt aus dem Jahre 1243. Zu dieser Zeit bestand dort schon eine deutsche Kolonie. Die Einwanderer waren zum  großen Teil Westfalen und Niedersachsen, die vor den hohen Abgaben ihrer Landesherren geflohen waren. Noch im 15. Jh. ist ein hoher west- fälischer Anteil unter den Bewohnern erkennbar. War der Ort Tanklim am Anfang noch ein Flecken, so wird in der Urkunde von 1264 schon von den "Bürgern der Stadt Tanglym" gesprochen, die zollfrei Seefahrt betreiben durften.  Dies ist Beweis, dass Anklam bereits mit deutschem Stadtrecht bewidmet war. Mit der deutschen Besiedlung galt für Anklam das Lübische Recht, und man stellte sich somit gleich in die Reihe der hansischen Seestädte wie Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald. Die Stadt wurde planmäßig angelegt, der Boden wurde in Bau- und Ackerland vermessen und zumeist an deutsche Siedler übergeben. Es entstand ein schachbrettartiger Grundriss, der zwölf Vierecke von je rund einem Hektar umfasste. Bis auf den Markt wurden diese Quartiere in Grundstücke aufgeteilt und mit strohbedeckten Häusern aus Lehm- und Holzfachwerk, die mit der Giebelseite zur Straße standen, bebaut. Erst nach mehreren verheerenden Stadtbränden entstanden viele der Häuser aus dem typisch rotbraunen norddeutschen Backstein mit Staffelgiebeln. Einen starken Zuwachs erfuhr die Stadt um 1275 durch die Eingemeindung mehrerer Dörfer und der Insel "oldenvir" (Anklamer Fähre). Um 1400 war die Altstadt bereits so dicht bebaut wie zu Beginn unseres Jahrhunderts. Zu ihrem Schutz wurde sehr bald der Palisadenzaun durch eine feste Steinmauer, die von einem Graben umgeben war, ersetzt. Die neue Stadtmauer war zunächst fünf Meter hoch und einen Meter dick, aber bereits im 15. Jh. ist sie acht Meter hoch und wird von sechs Stadttoren durchbrochen. Nur das größte, schon im 13. Jh. aus Backsteinen erbaute Steintor ist noch heute vorhanden. Die stärker werdende Befestigungsanlage wurde notwendig, denn der Landadel im umliegenden Gebiet neidete den Anklamern ihren blühenden Aufstieg. So kam es wiederholt zu blutigen Fehden u.a. mit den Rittern aus dem Geschlecht des Grafen von Schwerin, die ihren Stammsitz in Spantekow hatten. Bündnisse mit den Nachbarstädten Stralsund, Greifswald und Demmin brachten Beistand und Sicherheit. Im 15. Jh. erwarben dann Angehörige der Schwerins in Anklam Haus und Hof oder bekleideten Ämter im Rat. Die Fehden und Streitigkeiten wurden beigelegt.

Der 1283 erfolgte Beitritt Anklams

in den Hansebund ist für die Stadt von entscheidender Bedeutung. Die Seefahrt entwickelte sich auf Grund der neuen Rechte und der sicheren Seewege. Bis vor die schwedische Küste wurde Heringsfang betrieben. Die Fänge salzte und lagerte man in einer Handelsniederlassung der Stadt auf der schwedischen Halbinsel Schonen. Der Handel mit dem Salzhering dehnte sich weit ins Landesinnere aus. Auch nach Polen, Russland, Holland und Frankreich wurde geliefert. Ferner wurde mit Getreide, Tuchen, Leder, Wachs, Wein, Bier, Holz und Tieren in nicht unerheblichem Maße gehandelt. Es ließen sich immer mehr Kaufleute und Handwerker in Anklam nieder und die Stadt kam zu Wohlstand und Ansehen. Gewaltige Kirchenbauten legten davon Zeugnis ab. Mit dem Bau von St. Marien und St. Nicolai, deren Turmstümpfe noch heute die Stadtsilhouette bestimmen, begann man bereits im 13. Jh. Weitere Bauetappen folgten über die Jahrhunderte. Anklam wird eine der reichsten Städte Pommerns und besitzt als eine der ersten unter ihnen eine Fernwasserleitung, die aus Jargelin unter dem Flussbett der Peene hindurch, Quellwasser bis auf den Markt führt. Mit dem Beginn des dreißigjährigen Krieges 1618 wurden Wohlstand und Aufstieg der Stadt nachhaltig gestört. Die Stadt war wiederholten Belagerungen und Beschießungen durch Schwedische und Preußische Truppen ausgesetzt. Im Nordischen Krieg 1713 sollte Anklam auf Befehl des Russischen Zaren zur Wiedergutmachung für die Verbrennung Altonas durch die Schweden wie Garz und Wolgast geplündert und angezündet werden. Durch einen Zufall trat eine Verzögerung ein. Die Stadt wurde gerettet. Bis in unser Jahrhundert hinein gedachte man dieses Tages der Rettung mit einem Fest, der Judikafeier.

Von 1648 bis 1720

wehte über Anklam und ganz Vorpommern die schwedische Flagge. Da der Fluss schon mehrmals eine Grenze bildete, war es kein Zufall, dass ab 1720 die Peene wiederholt zum Grenzfluss wurde. Diesmal bildete die Peene die Grenze zwischen Preußen und Schweden. Der nördliche Teil Vorpommerns  gehörte weiterhin der schwedischen Krone, während der Süden dem Preußischen König zugesprochen wurde. Somit war Anklam eine geteilte Stadt und die Mühle auf dem Peendamm wurde das zweite, das schwedische Anklamer Rathaus. Die damaligen Grenzverhältnisse sollen "ganz idyllisch" gewesen sein. Über die Peene führte eine Ziehbrücke an deren Ende jeweils ein Wachhäuschen mit Posten stand. Alle Zivilpersonen konnten ungehindert her- und hinüber gehen. Junge Männer, die in den preußischen Militärdienst eintreten mussten, zogen sich einfach über die Brücke ins Schwedische zurück. Bis 1815 gehörten die Einwohner des Peendammes politisch zu Schweden, bezahlten aber im preußischen Anklam ihre Bürgersteuern, sie waren auch der hiesigen Kirchengemeinde unterstellt. Recht wurde durch preußische Beamte nach schwedischem Gesetz gesprochen. Erst ab 1815 gehörte ganz Anklam zu Preußen.

Das preußische Anklam

um 1720 bot ein erbärmliches Bild. Die Stadt war von den zahlreichen Kriegen stark  zerstört. Viele Häuser waren beschädigt und es lebten nur noch etwa 1900 Einwohner in Anklam. 1724 wurde das Land in Kreise aufgeteilt und eine Preußische Regierungsform eingeführt. Anklam erholt sich langsam.
Mit der Ansiedlung von Kolonisten aus dem Ausland kommen auch neue Arbeitsmethoden, neues Handwerk und Gewerbe ins Land. 1757 sind rund 28000 Maulbeerbäume in und um Anklam für die Seidenraupenzucht angepflanzt worden. Die Befestigungsanlagen werden geschleift und die Gräben angefüllt. Sie werden den Einwohnern als Gärten überlassen.Eine lange Tradition besitzen Schiffbau und Schifffahrt in Anklam. Schiffslisten der Anklamer Handelsflotte sind aus dem  17. Jh. überliefert. Viele in Anklam gebaute Schiffe fuhren für Kaufleute aus Wolgast, Demmin, Greifswald, Stralsund und Stettin. 1797 existieren 5 Werften. Mit 800 Tonnen Tragfähigkeit läuft 1864 das größte in Anklam gebaute Schiff vom Stapel. Mit dem Übergang zum Schiffbau in Stahlbauweise verlieren die Anklamer Werften schnell an Bedeutung. Durch die im 19. Jh. beginnende Industrialisierung und die Belebung des Binnenhandels erlebt Anklam einen sichtbaren Aufschwung. Chausseen, die Eisenbahn Berlin-Stralsund und die Mecklenburg - Pommersche Schmalspurbahn bringen Anklam verkehrstechnisch wieder in eine zentrale Lage. Zahlreiche Betriebe entstehen. Unterbrochen wird diese Entwicklung durch den Ersten Weltkrieg. Aber erst der Zweite Weltkrieg hinterließ neben Tod, Elend und Leid auch eine verwüstete Stadt. Alliierte Bombenangriffe auf die Anklamer Arado - Flugzeugwerke und ein deutsches Bombardement der schon russisch besetzten Stadt wenige Tage vor Kriegsende hinterließen mit über 70 % eine der am stärksten zerstörten deutschen Städte. Die Stadt hatte ihr geschichtsträchtiges Gesicht für immer verloren. Nur wenig ist heute noch von der einst so schönen und reichen Hansestadt zu spüren: die Marienkirche, die Ruine der Nikolaikirche und das Steintor lassen einiges erahnen.